Cross Innovation ist in aller Munde, doch was genau bedeutet das überhaupt?
Zusammen mit Herrn Dirk Böttner-Langolf, Leiter des Marketings und der Kommunikation des Fraunhofer IWM und Moderierender der Plattform für Innovation (PFID), gehen wir dieser Frage auf den Grund.
BeraCom: Herr Böttner-Langolf, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben. Als Experte im Bereich Cross Innovation würden wir gerne von Ihnen wissen – was bedeutet Cross Innovation für Sie?
Dirk Böttner-Langolf: Cross-Innovationen sind Innovationen, die auf branchen- und technologieübergreifender Adaption oder Übertragung bestehender Lösungen basieren oder geeignete Formen der Zusammenarbeit beinhalten. Sie überschreiten die Grenzen etablierter Innovationsökosysteme oder erweitern diese. Das gilt für die eigene Organisation und das eigene Unternehmen.
Insbesondere Querschnittsthemen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung lassen sich dadurch vorantreiben – Geschäftsmodelle können fundamental verändert und erweitert werden.
Wenn wir uns Cross Innovation genauer ansehen, dann geht es um die systematische Nutzung des Potenzials anderer Branchen für die eigene Organisation, das eigene Unternehmen. Existierende Technologien, Systeme, Konzepte oder generelle Prinzipien einer Industrie werden auf kreative Weise imitiert, angepasst und in einer anderen Branche verwendet. Das lässt sich auf Technologien, Patente, spezifisches Wissen, Fähigkeiten, Unternehmensabläufe oder sogar gesamte Geschäftsmodelle, aber auch kulturelle, organisatorische und soziale Innovationen anwenden.
BeraCom: Was sind aus Ihrer Sicht Vorteile, aber auch Risiken, für die Unternehmen?
Dirk Böttner-Langolf: Es ist ein hoher Neuigkeitsgrad der Ideen für das anwendende Unternehmen bzw. die »übernehmende« Branche gegeben.
Das unternehmerische Risiko ist durch die bereits erfolgte Bestätigung der grundsätzlichen Funktionsweise in der »übertragenden« Industrie minimiert, da die Probleme bereits in einer anderen Branche gelöst wurden. Dennoch bleiben auch Herausforderungen. Der Such- und Anpassungsaufwand auf die jeweils eigene Organisation und das Unternehmen ist nicht zu unterschätzen. Nicht jede Problemlösung lässt sich 1:1 übertragen. Fehlende Erfahrungswerte im eigenen Unternehmen mit der Lösungskomponente sind mitzudenken.
Ebenso sind Aspekte der Wirtschaftlichkeit, Skalierung und Transaktionskosten wie Patentfragen im Blick zu behalten.
„Wenn wir uns Cross Innovation genauer ansehen, dann geht es um die systematische Nutzung des Potenzials anderer Branchen für die eigene Organisation.“
BeraCom: Cross-Innovation lässt sich damit auf vielen verschiedenen Art und Weisen anwenden. Lassen sich die unterschiedlichen Prinzipien genauer einordnen?
Dirk Böttner-Langolf: Wenn wir die Systematik von Cross Innovation betrachten, dann fangen wir bei Outside-in an und stellen fest, dass in diesem Punkt von Cross Innovation, die Unternehmen vorhandene Lösungen aus der Ursprungsbranche der Innovation auf die eigene Branche übertragen.
Setzen wir bei Inside-out fort, können wir hier beobachten, dass Unternehmen als Innovatoren Lösungen aus der eigenen Branche auf andere Anwendungen bzw. Märkte in anderen Zielbranchen transferieren. Das findet „Coupled“ bei der gemeinsamen Neuentwicklung von der Idee bis zur Vermarktung durch Kooperation und Austausch statt Übertragung einen Ringschluss im Ansatz Cross Innovation. Offene, branchenübergreifende Ansätze gewinnen an Bedeutung. Partner aus anderen Industrien sowie Kunden und Lieferanten werden stark einbezogen. Die Wertschöpfungskette funktioniert in diesem Sinne als Transmissionsriemen für Innovationen und wirkt als Innovationsökosystem.
BeraCom: Kann man nicht prinzipiell auch vom Verlassen der eigenen Gedankenblase sprechen, egal ob außerhalb oder innerhalb des Unternehmens?
Dirk Böttner-Langolf: Ja, Cross Innovation funktioniert innerhalb von Unternehmen gleichermaßen.
Wenn z. B. andere Einheiten als eigene Ökosysteme angesehen werden und diese übergreifend zusammenarbeiten. Hier erleichtert die Nähe in der eigenen Organisation, Unternehmen oder Branchen die Übertragung von Problemlösungen. Der Neuigkeitsgehalt einer Cross-Innovation nimmt allerdings zu, je mehr das eigene Ökosystem verlassen wird, bei der Suche nach Problemlösungen und Innovationen. Innovationen mit hohem Neuheitswert sind eher bei weiter entfernten Industrien und Branchen zu erwarten. Durch Austausch, Netzwerk und Kooperationen können die Distanzen, die dazwischen liegen, überbrückt werden. Das ist gelebte Synergie zwischen den Ökosystemen und belebt die Kollaboration im eigenen Ökosystem, in der eigenen Organisation, im eigenen Unternehmen.
BeraCom: Welchen ersten Schritt können Unternehmen nun gehen, um diese Form des Austausches und der Innovationsgenerierung zu ermöglichen?
Dirk Böttner-Langolf: Bekanntlich ist selbst bei einer großen Strecke, der erste Schritt der entscheidende Anfang, um die Strecke insgesamt zu bewältigen. Grundvoraussetzung für praktisch angewandtes Cross Innovation in der eigenen Organisation und im eigenen Unternehmen ist ein hohes Maß an Offenheit und Aufnahmefähigkeit.
Das ist ebenso erforderlich, wie die Bereitschaft anderen Akteur:innen aus anderen Organisationen, Unternehmen und Branchen Einblick in die eigenen Herausforderungen und Lösungsansätze zuzulassen.
Das ist eine Grundvoraussetzung, neben der Kenntnis von und einem grundlegenden Verständnis für Markt- und Technologietrends. Der regelmäßige Blick über den Tellerrand, um die Perspektive, welche Entwicklungen in anderen Branchen die eigene Organisation oder das eigene Unternehmen beurteilen und bewerten zu können, gehört ebenso zur Grundeinstellung. Um das eigene Innovationsökosystem zu nutzen, ist das Scouting nach und die Identifizierung möglicher Kooperationspartner:innen oder Impulsgeber:innen ein wesentlicher weiterer Schritt. Zur ebenfalls notwendigen Antizipationsfähigkeit zählt die Abwägung von Chancen und Risiken, die sich aus Innovationen in anderen Branchen für das eigene Geschäftsmodell in Organisationen und Unternehmen ergeben.
Es folgen als relevante weitere Schritte, die Prognose der eigenen Kunden (Bedürfnisse) und Märkte, die Anpassungs- und Aufnahmefähigkeit, organisatorische Flexibilität und die Herstellung und Gewährleistung erforderlicher Kompetenzen der Mitarbeitenden. Nicht an letzter Stelle, weil es sich bei Cross Innovation um einen Kreislauf in der Anwendung in der eigenen Organisation und dem eigenen Unternehmen handelt, ist die Bereitschaft zur Umsetzung der Erkenntnisse aus der praktischen Anwendung von Cross Innovation. Damit wird Cross Innovation zum wesentlichen Lösungsschlüssel für die Förderung von Innovation und Wachstum durch konkrete Anwendung und der entsprechenden Weiterentwicklung des Innovationsökosystems von Organisationen und Unternehmen.
„Zur ebenfalls notwendigen Antizipationsfähigkeit zählt die Abwägung von Chancen und Risiken, die sich aus Innovationen in anderen Branchen für das eigene Geschäftsmodell in Organisationen und Unternehmen ergeben.“
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